Michael Edwards
naked empty silence
Programme Note
Samuel Beckett's mirlitonnades are small poems in French, described by the author as ``gloomy French doggerel''. I first came across them in Harper's magazine (US) in 2006. Several contemporary writers had translated a single seven-word poem into English, illustrating perfectly not only the difficulty of poetry translation in general but the rich abundance of meaning that can be mined from a few well-chosen words: ``rêve / sans fin / ni trêve / à rien'' (``dream / without cease / or treaty / of peace'' according to Roger O'Keefe).
I found more of these translated in a blog post by Eric Hoffman. I was struck by one in particular: ``naked empty silence / will never / be / empty silence''. There is an obvious musical link here to Cage and what we might call the impossibility of silence, but naked empty silence is no silent piece. There is however a concentration on extremes of dynamic, for the most part extremely quiet but significantly amplified and thus inviting the listener to hear the (almost) silence, the delicate playing techniques through the sonic microscope that the microphone can be.
But what really attracted me to the musical potential of these short translated poems was the connection to the impossibility of an exact but always obligatory translation of a music score's symbols into sonic structures---or even the desirability of an attempt at such, whatever that may entail.
Jean-François' instruments, even when screaming, are delicate, unpredictable beasts. Writing for them necessitates navigating the unknown, to a certain extent, along with everything that can happen within it. A complex live electronics system increases the unpredictability and the need to think on your feet and react quickly during the performance. Choosing unstable sound production techniques on the cello seemed apt in this context, as well as the presentation and re-presentation of structures created with fragile sonorities on both instruments and elaborated with electronics. This double coupling forms a certain translation and re-translation, here by the same musicians rather than by different authors. It offers both players and listeners the opportunity to hear the same short musical utterance several times, extracting different significance upon each apprehension.
naked empty silence was written on the invitation of Gordon Williamson for Jean-François Laporte and Martha Bijlsma for the zeitlupe 2023 concert series in Hannover, and for Jean-François with Émilie Girard-Charest in Montréal.
Deutsch
Samuel Becketts Mirlitonnades sind kleine Gedichte in französischer Sprache, die der Autor als ``düsterer französischer Knittelvers'' bezeichnete. Zum ersten Mal stieß ich 2006 in der Zeitschrift Harper's (USA) auf sie. Mehrere zeitgenössische Autoren hatten ein einziges Gedicht mit sieben Wörtern ins Englische übersetzt, was nicht nur die Schwierigkeit der Übersetzung von Gedichten im Allgemeinen, sondern auch die reiche Fülle an Bedeutung, die aus wenigen, gut gewählten Wörtern gewonnen werden kann, perfekt illustriert: ``rêve / sans fin / ni trêve / à rien'' (nach Roger O'Keefe ``dream / without cease / or treaty / of peace'', etwa ``träumen / ohne Unterlass / oder Vertrag / des Friedens'').
Mehr davon fand ich in einem Blogbeitrag von Eric Hoffman übersetzt. Eines davon hat mich besonders beeindruckt: ``naked empty silence / will never / be / empty silence'' (``nackte leere Stille / wird niemals / leere Stille / sein'' vielleicht). Es gibt hier eine offensichtliche musikalische Verbindung zu Cage und dem, was wir die Unmöglichkeit der Stille nennen könnten, aber naked empty silence ist kein stummes Stück. Es gibt jedoch eine Konzentration auf die Extreme der Dynamik, größtenteils extrem leise, aber deutlich verstärkt und so den Zuhörer einladend, die (fast) Stille zu hören, die delikaten Spieltechniken durch das Klangmikroskop, das das Mikrofon sein kann.
Aber was mich wirklich an dem musikalischen Potential dieser kurzen übersetzten Gedichte reizte, war die Verbindung zur Unmöglichkeit einer exakten, aber immer obligatorischen Übersetzung der Symbole einer Partitur in klangliche Strukturen - oder sogar die Wünschbarkeit eines solchen Versuchs, was auch immer das mit sich bringen mag.
Die Instrumente von Jean-François sind, selbst wenn sie schreien, empfindliche, unberechenbare Wesen. Für sie zu schreiben bedeutet also, sich bis zu einem gewissen Grad auf das Unbekannte einzulassen, zusammen mit allem, was darin passieren kann. Ein komplexes Live Elektroniksystem erhöht die Unvorhersehbarkeit und die Notwendigkeit, während der Aufführung schnell zu denken und schnell zu reagieren. Die Wahl instabiler Klangerzeugungstechniken auf dem Cello schien in diesem Zusammenhang angemessen, ebenso wie die Präsentation und Re-Präsentation von Strukturen, die mit fragilen Klängen auf beiden Instrumenten und mit Elektronik ausgefeilt geschaffen wurden. Diese doppelte Kopplung bildet eine gewisse Übersetzung und Rückübersetzung, hier aber durch dieselben Musiker statt verschiedenen Autoren. Sie bietet sowohl Spielerninnen als auch Zuhörerinnen die Möglichkeit, zu versuchen, dieselbe kurze musikalische Äußerung mehrmals zu hören und dabei unterschiedliche Signifikanz zu gewinnen.
naked empty silence wurde auf Einladung von Gordon Williamson für Jean-François Laporte und Martha Bijlsma für die Konzertreihe zeitlupe 2023 in Hannover und für Jean-François with Émilie Girard-Charest in Montréal geschrieben.